Manchen Liederdichter bekannter Kirchenlieder kennt man heute nicht mehr, wie etwa den Theologen Friedrich Heinrich Ranke (1798–1876). Durch sein gläubiges Elternhaus und seine theologische Ausbildung stand Ranke der Erweckungsbewegung nahe, der er in Bayern zum Durchbruch verhalf. Zudem gilt er als Förderer der Inneren Mission in Bayern, die sich innerhalb der evangelischen Kirche für Mission und Diakonie einsetzte – die Armut war schließlich groß in jener Zeit. Rankes kirchliches Wirken umfasste eine Professur in Nürnberg, verschiedene Leitungsfunktionen und Pfarrdienste in Bayern.
Rankes Erbe im Gesangbuch
Friedrich Heinrich Ranke – ein Bruder des weitaus bekannteren Historikers Leopold Ranke – war neben seinem kirchlichen Wirken auch als Lieddichter tätig. Zwei seiner Liedtexte sind uns bis heute geläufig: Das Adventslied „Tochter Zion“ und das Weihnachtslied „Herbei, o ihr Gläub‘gen“ – beide finden sich in unserem Gesangbuch unter der jeweiligen kirchlichen Festzeit (Neuapostolisches Gesangbuch Nr. 4 und 27). „Herbei, o ihr Gläub‘gen“ steht nach „Stille Nacht“ an prominenter Stelle im Gesangbuch und spricht die in jener ersten stillen Nacht anwesenden Hirten an, die nach Bethlehem strömen – eine Aufforderung, der die Sänger und Sängerinnen dieses Liedes gerne im Geiste nachkommen. Gleichsam als Freuden-Ouvertüre steht „Tochter Zion“ am Anfang der Adventszeit – gerne und liturgisch sinnvoll am 1. Advent, aber auch an den anderen Adventssonntagen mit Freuden gesungen.
Händels Melodie und Rankes Worte
Die freudig-jubilierende Melodie stammt noch aus dem 18. Jahrhundert: Georg Friedrich Händel (1685–1757), berühmt für seine klangkräftigen Oratorien, schrieb sie für sein Werk „Joshua“ 1747 und – in einer Neufassung – für das Oratorium „Judas Maccabaeus“ im Jahr 1751. Diese Melodie unterlegte Ranke um 1820 in Erlangen mit einem von ihm gedichteten Text: „Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst“. Diese Lieddichtung geht auf eine Prophetie aus dem Buch Sacharja zurück: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin“ (Sach 9,9) – ein Wort, das das Matthäusevangelium bei der Darstellung des Einzuges Jesu zitiert (Mt 21,5). Die Worte des gläubigen Dichters Ranke laden uns in der Adventszeit ein, dem gerechten König aller Welt, dem Friedefürsten Jesus unsere Herzenstüren zu öffnen.
Foto: Jan Becke